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Schlussakkord

Die letzten Monate mit Katja

Erschienen am 04.02.2006
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552060289
Sprache: Deutsch
Umfang: 272 S., 5 s/w Illustr.
Format (T/L/B): 2.5 x 21 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Niemand denkt gern ans Sterben. Auch Katja und Henriette nicht. Aber sie müssen: Katja hat Krebs und liegt im Sterben. Sie ist 37. In den letzten Monaten besucht Henriette Katja fast täglich und versucht, ihrer Freundin auf dem Weg in den Tod beizustehen. Erst nach dem Tod von Katja wird Henriette bewusst, was für eine ungeheuerliche Reise sie selbst, als Begleiterin, erlebt hat. Und diese Reise schildert sie hier, mit allen Ratlosigkeiten, aber auch den tief erlebten Erfahrungen: für das eigene Leben und für das Verständnis, dass erst im Schlussakkord das Leben vollendet ist.

Autorenportrait

Henriette Kaiser, geboren 1961 in München, studierte nach einer Gesangsausbildung Germanistik in Berlin, assistierte bei Bühne und Film und absolvierte 1997 die Münchener Hochschule für Fernsehen und Film. Sie lebt in München und arbeitet als Autorin und Regisseurin für verschiedene Fernsehformate und Medien. Einzelfilme, z.B. Roter Tango (1997), Mein absolutes Lieblingslied (2000), zur Zeit entsteht der Dokumentarfilm Musik im Fahrtwind. 2006 ist Schlussakkord im Deuticke Verlag erschienen.

Leseprobe

Jetzt, da es Katja besser geht, kann sie wieder mehr Besuch empfangen. Die Freunde kommen in Scharen. Manchmal wird es beinahe ein bisschen viel. Katja selbst sagt, dass sie gerne mehr allein sein würde. Sie wolle schreiben, sich ihre Gedanken machen. Aber dann freut sie sich doch über jeden Anruf und lädt alle zu sich ins Hospiz ein. Katjas Eltern überlegen, wie man freie Zeiten für Katja einrichten könnte. Aber jeder Plan dahingehend scheitert. Telefonische Vereinbarungen funktionieren nicht. Katja bringt sie durcheinander, manche Besucher halten sich nicht an die Bitte um Vorankündigung und jeder, der bei ihr ist, bleibt länger als vorgehabt. Man kommt nicht weg von ihr. »Und wie geht es deinem Bein?« Mein Bein. Sie fragt mich, wie es meinem Bein geht. Mein Bein ist dick, aber verglichen mit ihrem Bein wirklich nicht der Rede wert, abgesehen von allem anderen. Ich wiegle mein Beinproblem herunter. Sie grinst: »Dass deine Solidarität so weit geht, hätte ich nicht gedacht.« Jaja. Da wird man sogar noch veräppelt, wenn man wie verrückt leidet, weil das gelungenste Körperteil, auf das man immer stolz sein konnte, auch nicht mehr vorzeigbar ist. Katja wird streng. Sie möchte kein »letztes Treffen«, keine Versöhnung mit dieser oder jener Person, der das wichtig wäre, wie sie sagt. Sie möchte nicht, dass Freunde kommen und mit ratlosem Gesichtsausdruck vor ihr stehen und eine Segnung oder irgendetwas erhoffen. Voller Zorn schleudert sie Bücher weg, die in eine »falsche« Spiritualität gehen. »Noch lebe ich«, flucht sie über Briefe, die ein Wort beinhalten, das auf ihr Ende hindeutet. Ich kann Katja nachfühlen und stehe dennoch betroffen zwischen den Fronten. Wie alle anderen bin auch ich vollkommen hilflos, was ihr Sterben angeht. Ich habe nur die Möglichkeit, Katja kontinuierlich und nah mitzuerleben und erahne die Stimmungsschwankungen und die verwirrende Komplexität des Sterbens allmählich. So auch, dass die wesentlichen Dinge nicht mit Büchern oder Worten zu fassen sind. Die kann man nur stumm erleben. Das aber geht nicht von außen, von weiter weg. Da ist man auf das angewiesen, was man sich vorstellen kann. Auch die gut gemeinten Hilfsversuche und die Ausdrucksformen des Mitleids, der Trauer können nur der eigenen Perspektive entspringen. Und da entgleisen eben vielleicht ein paar Worte. So sehr ich mich bemühe, Katja milder zu stimmen, ich fürchte, ich versage. Tagebucheintrag 25. Februar Manchmal habe ich das Gefühl, ausgesaugt zu werden. Katja nimmt sich, was sie braucht. Und wenn sie etwas anderes braucht, als ich ihr geben kann, dann sagt sie: »Du musst nicht kommen.« Das bedeutet für mich: »Ich will nicht, dass du kommst.« Zumindest glaube ich das für Momente. Ich bin dann fassungslos. Aber ich reiße mich zusammen. Eine andere Freundin, die wie ich viel bei ihr ist, steckt in dem gleichen Dilemma. Sie will nicht mehr anrufen, wartet auf ihren Anruf. Komisch, diesen Gedanken habe ich nicht. Ich rufe Katja an. Und siehe, die Aufregung war umsonst. Sie hat etwas durcheinander gebracht, wollte mich nicht belästigen. Ich denke, mein Gott, wie bin ich egoistisch. Wie leicht lasse ich mich verstören. Dabei zeigt Katja mir doch jeden Moment, wie sehr sie sich freut, dass ich da bin. Wie wohl es ihr tut, dass sie bei mir nicht diese Anforderung spürt. Sie spricht von selbst die Probleme an, die sie mit mehreren Leuten hat. Weil sie niemanden zurückruft, weil sie manchmal so barsch ist. die geburt Das Hospiz zeigt seine Auswirkung nicht nur in der Schmerzbehandlung. Niemand spricht noch von Krebs oder Krankheit. Es geht nur um Sterben und Sterbehilfe. Zuerst erschrecke ich darüber. Dann denke ich: eigentlich logisch. Wenn jemand austherapiert ist, wenn nicht am Ausgang zu rütteln ist, dann ist es nur eine Frage, aus welcher Perspektive die Schmerzbehandlung stattfindet. Soll das noch vorhandene Leben erleichtert werden oder das Sterben? Die Behandlung bleibt die gleiche. Sie unterscheidet sich nur in lebensverlängernden Ma Leseprobe