0

InterKontinental BESTSELLER Frühjahr 2019

Die InterKontinental Buchhandlung erblickte vor einem halben Jahr das Licht der Welt und ist seitdem Anlaufstelle für Liebhaber*innen afrikanischer und afro-diasporischer Literaturen sowie Laufkundschaft auf der Friedrichshainer Sonntagstraße auf der Suche nach einem neuen guten Buch. Grund genug einmal nachzuschauen, welche Bücher bei unseren Kund*innen besonders hoch im Kurs standen. Im Folgenden findet ihr die 10 InterKontinental Bestseller der letzten 6 Monate. Wenig überraschend dominieren die Autorinnen des African Book Festivals 2019, aber auch andere brisante Neuerscheinungen konnten einen Platz in den Top 10 ergattern.

Platz 1

This Mournable Body von Tsitsi Dangarembga

Der dritte Teil der Trilogie um Protagonistin Tambudzai der Kuratorin des diesjährigen African Book Festivals – Tsitsi Dangarembga – belegt den ersten Platz. Der Roman begleitet Tambu nach dem Ausstieg aus einem frustrierenden Job in eine ungewisse Zukunft als unverheiratete Frau mittleren Alters in Harare. Jede Demütigung, die ihr widerfährt macht ihr deutlich, dass die Zukunft, die auf sie wartet nicht die Zukunft ist, die sie sich vorgestellt hat. Desillusioniert nimmt Tambu eine Anstellung im Ökotourismus an und kehrt in das Heimatdorf ihrer Familie zurück, das sie einst entschlossen verließ um ihren eigenen Weg zu gehen. Eine bewegende Geschichte über eine moderne Frau und die verheerenden Folgen von (Neo-)Kolonialismus und Kapitalismus.

Platz 2

Why I Am No Longer Talking to White People about Race von Reni Eddo-Lodge

Jüngst in deutscher Übersetzung im Tropen Verlag erschienen stieg auch die Nachfrage, nach der englischen Originalausgabe. Die schwarze britische Journalistin Reni Eddo-Lodge begann, ihrer Frustration über den Umgang mit oder vielmehr die Leugnung von Rassismus in feministischen Bewegungen Großbritanniens, die sich selbst als progressiv wahrnehmen, in einem Blog Ausdruck zu verleihen. Aus dem Blog wurde ein Buch, welches sich mit Themen von der Vernachlässigung schwarzer Geschichte, zur Ungleichbehandlung von weißen und nicht-weißen Menschen in unseren politischen Systmen, strukturellem Rassismus und weißgewaschenem Feminismus beschäftigt. Was bedeutet es, in einer Welt, in der Weißsein als die selbstverständliche Norm gilt, nicht weiß zu sein? Reni Eddo-Lodge spürt den historischen Wurzeln der Vorurteile nach, und zeigt unmissverständlich, dass die Ungleichbehandlung Weißer und Nicht-Weißer unseren Systemen seit Generationen eingeschrieben ist. Ob in Politik oder Popkultur – nicht nur in der europaweiten Angst vor Immigration, sondern auch in aufwogenden Protestwellen gegen eine schwarze Hermine oder einen dunkelhäutigen Stormtrooper wird klar: Diskriminierende Tendenzen werden nicht nur von offenen Rassisten, sondern auch von vermeintlich toleranten Menschen praktiziert. Um die Ungerechtigkeiten des strukturellen Rassismus herauszustellen und zu bekämpfen, müssen darum People of Color und Weiße gleichermaßen aktiv werden – »Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur uns.«

Platz 3

Nervous Conditions von Tsitsi Dangarembga

Auf Platz drei gibt es ein Wiedersehen mit African Book Festival Kuratorin Tsitsi Dangaremgba und Protagonistin Tambudzai im 1988 erstveröffentlichten Debütroman der Autorin. Tambu – hier noch ein Kind – muss sich ihren eigenen Weg bahnen durch koloniale und patriarchale Strukturen. Bildung scheint ihr einen Ausweg zu bieten aus den Restriktionen, die sie zu ersticken drohen. Nervous Conditions zählt zu den Klassikern der afrikanischen Literatur und wurde von der BBC zu einer der 100 Geschichten, die die Welt geprägt haben gewählt. Im August erscheint eine Neuaflage der Übersetzung von 1991 unter dem Titel Aufbrechen im Orlanda Verlag.

 

Platz 4

The Hundred Wells of Salaga von Ayesha Harruna Attah

The Hundred Wells of Salaga ist ein historischer Roman, der die Leser*innen mitnimmt ins heutige Ghana zu Gesellschaften im Umbruch zum ausgehenden 20. Jahrhundert. Aus den Perspektiven zweier unkonventioneller Frauen, die wiederum unterschiedlicher fast nicht sein könnten erzählt die Autorin eine packende Geschichte von Skaverei, Macht, weiblicher Begierde, Geschlechterrollen, Schuld und nicht zuletzt der Komplizenschaft von Afrikaner*innen im Sklavenhandel ohne jedoch einzelne Charaktere zu verteufeln. Wurche ist die Tochter eines mächtigen Herrschers, Aminah wird aus ihrem friedlichen Dorf gekidnappt und als Skavin verkauft – beide stehen im Spannungsfeld zwischen Unfreiheit und selbstbestimmtem Handeln. Die deutsche Übersetzung Die Frauen von Salaga erschien pünktlich zum African Book Festival im Frühjahr im Diana Verlag.

Platz 5

Afrotopia von Felwine Sarr

Noch immer ist der Maßstab, mit dem wir den Zustand und die Perspektive Afrikas beurteilen, das Entwicklungsmodell des Westens, selbst wenn sich dieses weltweit als höchst zerstörerisch erwiesen hat. In seinem bahnbrechenden Manifest, das zugleich Analyse und Utopie ist, fordert der senegalesische Ökonom Felwine Sarr eine wirkliche Entkolonialisierung Afrikas, indem es sich auf seine vergessenen und verdrängten geistigen Ressourcen zurückbesinnt, ohne gleichwohl den Kontakt mit der Moderne zu verleugnen. So findet sich eine Fülle kulturellen und geistigen Reichtums, die auf ein anderes, ausgeglicheneres Verhältnis zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur verweist. Die afrikanische Kulturrevolution bietet dabei auch für den Rest des Planeten dringend benötigte Ansätze, um eine bewusstere und würdevollere Zivilisation zu begründen. In 35 Jahren wird ein Viertel der Weltbevölkerung in Afrika zuhause sein – höchste Zeit, die verborgene Lebenskraft des Kontinents zu entdecken und das Zeitalter des Afrofuturismus einzuläuten. Sarr ist Schriftsteller, Musiker und Professor für Wirschaftswissenschaften an der Gaston Berger Universität in Saint-Louis, Senegal.

 

Platz 6

The Dragonfly Sea von Yvonne Adhiambo Owuor

Die 6-jährige Ayaana und ihre Mutter Munira leben als Außenseiterinnen auf der verschlafenen Insel Pate vor der Küste Kenias. Auf der Suche nach Zugehörigkeit verschlägt es Ayaana bis nach China. Voll poetischer Prosa und beeindruckender Bildsprache erzählt der Roman nicht nur Ayaanas Geschichte sondern auch die des indischen Ozeans – im Roman die Swahili Seas genannt – und die historischen Verbindungen zwischen China und der ostafrikanischen Küste.

 

Platz 7

These Bones Will Rise Again von Panashe Chigumadzi

Im November 2017 ging das Volk in Simbabwe mit einer nie zuvor da gewesenen Unterstützung durch das Militär auf die Straße und berief sich auf das Vermächtnis des Chimurenga, des Befreiungskampfes, um das Land von der mehr als 30 Jahre andauernden Herrschaft Robert Mugabes zu befreien. In einem Essay, das Elemente von Reportage, Memoiren und kritischer politischer Analyse verbindet, sinniert die simbabwische Schriftstellerin und Journalistin Panashe Chigumadzi über den  Coup, der keiner war, die Willkürlichkeit von Geschichtsschreibung und die Ahnengeister zweier Frauen, Nehanda Mbuya – Großmutter der Nation – und ihrer eigenen Großmutter.

 

Platz 8

A Nation in Labour von Harriet Anena

A Nation in Labour ist der erste Gedichtband von Dichterin und Journalistin Harriet Anena aus Uganda. Anenas Poesie ist mutig, persönlich und politisch. Ihre Gedichte transportieren eine Fülle an Emotionen – Wut, Trauer, Schmerz, Liebe, Verzweiflung, aber vor allem auch Hoffnung. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht sich kritisch gegenüber der Politikern zu äußern und sexuelle Gewalt anzusprechen. 2018 wurde A Nation in Labour mit dem Wole Soyinka Prize for Literature in Africa ausgezeichnet.

 

Platz 9

Freshwater von Akwaeke Emezi

Von Akwaeke Emezi selbst als Autobiografie bezeichnet, vom Verlag als Roman vermarktet, ist Freshwater (dt. Süßwasser) vor allem eines: unkonventionell. Ada wächst im Süden Nigerias auf. Sie ist ein sprunghaftes und schwieriges Kind und ein Quell steter Sorge für ihre Eltern. Adas verschiedene Ichs kommen immer wieder zum Vorschein und rücken vor allem nach ihrem Umzug in die USA immer stärker in den Vordergrund. Nach einem traumatischen Übergriff nimmt Adas Leben eine dunkle und gefährliche Wendung. Akwaeke Emezi erkundet in diesem von Kritik und Publikum gefeierten Debüt, wie es ist, ein gespaltenes Ich zu haben und zeigt gleichzeitig, wie wir alle unsere verschiedenen Identitäten laufend konstruieren. Ein Buch von wilder Energie und schlangenartiger Eleganz - die Geburt einer neuen ungebändigten literarischen Stimme.

 

Platz 10

House of Stone von Novuyo Rosa Tshuma

Bukhosi ist verschwunden. Sein Vater Abed und seine Mutter Agnes halten an der Hoffnung fest, dass er weggelaufen und nicht bei Protesten verhaftet oder gar getötet wurde. Nur der Untermieter Zamani scheint eine Ahnung zu haben. Zamani lebt nun schon seit einiger Zeit bei dem älteren Paar. Unauffällig, höflich und zuvorkommend ist er fast Teil der Familie – doch fast ist für Zamani nicht genug. Hingebungsvoll beschwatzt er Abed und Agnes, wickelt sie um din Finger und nötigt seine „Erstatzeltern“ dazu, ihm ihre sensiblen und brutalen Lebensgeschichten anzuvertrauen. Er trachtet danach völlig in ihrer Familiengeschichte aufzugehen und sich zugehörig zu fühlen. Der Roman schreibt verdrängte Kapitel simbabwischer Geschichte neu und ist gleichzeitig ein fesselndes Porträt zutiefst traumatisierter Charaktere – stellvertretend für eine zutiefst traumatisierte Gesellschaft.